Im Möbelladen mit Rex Gildo

"Der Berliner Showroom der 'Grünen Erde' braucht einen Solo-Sänger mit Gitarre für ihr 10-Jähriges Jubiläum? 2 Stunden, Sonntag Nachmittag, Pop und Jazz, bekannte Melodien, Geklimper ..."  -   "Klar, mach ich."

 

Was das wohl ist, „Grüne Erde“? Naturschutz? Kosmetik? Fair gehandelte Irgendwas? So richtig verstehe ich es erst, als ich mich zwischen Betten und Schränken auf einem roten runden Flauscheteppich aufbaue: Ein Möbelladen! Na Servus, wie die Österreicherin sagt ...

Als Unterhaltungskünstler im Möbelgeschäft steht man in einer großartigen Show-Biz Tradition: Der des absteigenden Astes und der Resterampe im Bereich Schlager. Ich muss an den legendären letzten Auftritt von Rex Gildo im Porta-Wohnparadies denken. Er schien wirr und traf die Töne nicht mehr. Der Mann war ausgebrannt. Danach stritt er sich so heftig mit seinem Freund, dass er sich betrank und und unkoordiniert Leute bepöbelte. Der Freund machte sich ernstlich Sorgen und bestellte einen Krankenwagen. Rexy sollte sich endlich helfen lassen, mit seinem depressiven Burn-Out-Dasein hinter der braungebrannten Fassade. Und ganz akut fürchtete er um die Gesundheit seines Lovers und wartete auf die Sanitäter. Aus Angst in eine peinliche Situation zu kommen, erkannt zu werden und und vielleicht geoutet in der Zeitung zu landen, sprang Gildo aus dem Badezimmerfenster seiner Wohnung im zweiten Stock. Krasses Ende.

 

Spielt man als kleiner Lagerfeuer-Sänger Swing- und Pop-Melodien für die Besucher, steht so ein Abgang nicht unbedingt bevor. Also weg mit den Rex-Gildo-Gedanken und ein paar lockere Titel gesungen. Gähnende Leere im Showroom.

 

"Die Leute kommen wohl etwas später," entschuldigt sich die Mitarbeiterin mehrmals.

 

Mir doch egal. Tut mir nur leid für ihren großen Jubiläumstag. Sie haben es so schön dekoriert hier ... dann vereinzelte Leute, die sich ein Häppchen nehmen und Naturmöbel ansehen. Das unvermeidliche Kind, das sich direkt vor den Musiker stellt und ihn anstarrt, der Vater dazu, der mir aufmunternd zunickt, das Paar, das mich ignoriert, die Senioren, die sich über die Musik von vorgestern freuen und ein paar Takte mitsingen ... und wieder ein Kind, das direkt auf mich zuläuft.

 

„Und jetzt bitte was zum Einschlafen,“

 

sagt plötzlich eine Frau, die zwei Meter links von mir eine Matratze testet. Ich werde wohl nie wieder für Matratzen probeliegende Zuhörernnen singen, denke ich noch und genieße kurz diesen einzigartigen Moment. Dann winke ihr zu:

 

"Na logo: 'There were bells on a hill …'"

 

Ich wollte sowieso gerade „Til there was you“ spielen. Super Lied, von Paul McCartney sehr gut gesungen. Zustimmendes Nicken vom Doppelbett.

 

„Dankeschön ... schade, dass ich nicht einfach liegenbleiben kann!“

„Ja gerne, und schade, dass ich mich nicht einfach dazulegen kann! Hihi.“

 

Huch, da guckt ihr Mann aber irritiert. 'Was scherzt der hier mit meiner Frau?' Er will schnell weiter. Darauf noch ein schnelles

„ … till ... there was youuuuu ...“ in ihre Richtung - und auf wiedersehen. Das einzige Highlight in diesem trostlosen Setting.

 

Ich singe noch eine Weile, starre auf Schränke und Lampen und muss doch noch mal an die grinsende Zahnreihe von Rex Gildo denken. Aber nicht an die von Dieter Thomas Heck kernig angesagte 80er Jahre Version aus meiner Kindheit, sondern an die jugendliche Ausgabe, von der Plattenhülle seiner 'Devil in Disguise' Coverversion von Elvis: „Liebe kälter als Eis“. Starke Nummer. Wahrscheinlich sein künstlerischer Höhepunkt. Dann gings bergab. Aber ich sollte mich hüten, über Sexy Rexy zu lachen. Er hatte Hits und Fans, währed ich das Bespaßen von Langweilern mit nachgesungenen Kamellen für einen schönen Zeitvertreib halte. Andererseits muss ichn dafür auch nicht aus Panik aus dem Fenster springen. Wenn ich mal eingeliefert werde, interessiert es ja niemanden ...

 

Irgendwann dann letztes Lied ... und Schluß. Ich nehme noch 3 Häppchen vom Buffet und verabschiede mich von Teppich, Tisch und Stuhl ... eigentlich war es ja ganz nett hier, denke ich mal wieder.